Aktives Miteinander von Jung und Alt / The active interaction between young and old

Derzeit leben rund 7,5 Milliarden Menschen auf unserer Erde. Jährlich wächst die Weltbevölkerung um über 80 Millionen, d.h. jedes Jahr kommt die Bevölkerung Deutschlands hinzu.

Während die Bevölkerung in einigen Regionen dieser Welt schnell wächst, vor allem in Lateinamerika, Indien und Afrika, stagniert die Bevölkerungszahl in Europa. Die Menschen in Europa werden älter, bunter und haben weniger Kinder. Die demographische Entwicklung auch in Deutschland hat nicht nur Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung, die Steuereinnahmen, die Sozialausgaben, die Gesundheitsvorsorge sondern auch auf das Zusammenleben in unseren Städten.

Der siebte Altenbericht der Bundesregierung vom Jahr 2016 befasst sich deshalb mit der Sorge und Mitverantwortung in der Kommune. Als Mitglied der Sachverständigenkommission ging es uns darum, die Gestaltungsaufgaben der Kommune zu beschreiben und die Stärkung der kommunalen Kompetenzen vor allem in der Pflege, im Bereich Wohnen sowie im Gesundheitswesen zu empfehlen. Dazu gehören auch die Vernetzung der Akteure der lokalen Seniorenpolitik und das managen, moderieren und motivieren solcher Akteur Netzwerke durch die Kommune.

Kommune verstanden als Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger setzt Teilhabe und Partizipation möglichst vieler Menschen voraus. Ältere Menschen sollen deshalb stärker an der Planung und Umsetzung von Maßnahmen der Seniorenpolitik beteiligt werden. Dementsprechend sollte kommunale Politik nicht nur für ältere Menschen sondern auch mit älteren Menschen praktiziert werden. Eine besondere Herausforderung ist dabei, Menschen mit sehr niedrigem Einkommen, mit Mobilitätseinschränkungen oder mit Sprachbarrieren in die Maßnahmen zur Stärkung von lokalen Sorge-Strukturen einzubinden.

Diesem Miteinander von unterschiedlichen Organisationen, Hauptamtlichen, Ehrenamtlichen, jüngeren und älteren Mitbürger eine gemeinsame Plattform zu geben und ein gemeinsames Verständnis von Sorge und Mitverantwortung in der Kommune zu entwickeln, ist das Anliegen des Stuttgarter Generationenvertrag.

– Der Stuttgarter Generationenvertrag –

Die kollektiven Sicherungssysteme haben zwar unsere individuelle Absicherung bei Krankheit, Pflege im Alter durch die Familie ergänzt und partiell ersetzt. Doch gerade weil die Mehrgenerationenfamilie, deren Mitglieder sich gegenseitig fördern und stützen können, eine Rarität geworden ist, bedarf es neuer sozialer Modelle – jenseits der notwendigen materiellen Absicherung. Diese finanzielle Absicherung der öffentlichen Sicherungssysteme ist langfristig kaum ausreichend. Die demografische Entwicklung in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern führt dazu, dass die Zahl der Erwerbstätigen tendenziell abnimmt und die Zahl der Nichterwerbstätigen laufend steigt. Diese Schere wird in den nächsten Jahrzehnten weiter aufgehen, so dass die steigenden sozialen Ausgaben immer weniger durch die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung getragen werden können. Damit erhöht sich der Anteil der Sozialausgaben, die aus den öffentlichen Haushalten direkt zu finanzieren sind. Doch unsere öffentlichen Haushalte sind seit Jahrzehnten defizitär.

Wie lebt es sich in einer Stadt, in der nur noch in wenigen Haushalten Kinder und Jugendliche wohnen, Familien mit drei Kindern zu einer kleinen Minderheit gehören und die Drei-Generationen-Familie zu einer Rarität geworden ist? Der „demografische Baum“ ist nicht nur schief gewachsen; es besteht zu Recht auch die Sorge, dass er durch einen Generationenkonflikt vollends entwurzelt wird. Deshalb brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Politik wie in unserer Gesellschaft. Dabei ist es wichtig, neue Wege für das Miteinander der Generationen vor Ort zu entwickeln und diese auch konsequent zu gehen. Es bedarf einer ganzheitlichen Konzeption, die von den Lebenssituationen der Menschen, ob Jung oder Alt, ausgeht. Dies steht im Gegensatz zur heute üblichen Zergliederung von Lebensbereichen und Separierung der verschiedene Altersgruppen. Bei diesem ganzheitlichen integrativen Ansatz ist es wichtig, unterschiedliche bürgerschaftliche Gruppen zu beteiligen, damit sie ihre Ideen und Initiativen einbringen. So entstand in einer Reihe von Diskussionen über eine langfristige Strategie zur Gestaltung der demografischen Veränderungen der „Stuttgarter Generationenvertrag“ mit 12 Aufgabenfeldern

Der Stuttgarter Generationenvertrag
1. Wir wollen den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen, von Familien und Alleinerziehenden durch eine kinderfreundliche Stadtgesellschaft besser gerecht werden, indem wir die im Arbeitsprogramm „Kinderfreundliches Stuttgart“ beschriebenen fünf Aufgabenfelder konsequent umsetzen.

2. Wir wollen individuell auf die Bedürfnisse der Älteren, ob inländischer oder ausländischer Herkunft, eingehen und sie durch Bildung, Beratung und Hilfen im Alltag unterstützen, damit sie möglichst lange ein selbst bestimmtes Leben in einem sicheren Umfeld führen können.

3. Wir wollen mit vorhandenen und neuen Einrichtungen und gemeinnützigen Organisationen wie Generationenhäusern, Begegnungsstätten, Bürgerhäusern, Sportvereinen, Gartenbau- und Umweltvereinen, Kulturvereinen, Schulen und Kirchengemeinden, vielfältige Begegnungsangebote schaffen, um neue persönliche Bekanntschaften über die Generationen hinweg zu erleichtern und Patenschaften zu stiften.

4. Wir wollen neue Netzwerke der Eigeninitiative und der Selbsthilfe organisatorisch und materiell gezielt fördern, in denen die Älteren ihre Erfahrungen, ihr Können und Wissen einbringen können.

5. Wir wollen durch die Vernetzung in unseren Stadtbezirken nicht nur neue Chancen für persönliche Beziehungen schaffen, sondern auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Älteren wie die von Kindern und Familien in ihrer Vielfalt, Gegensätzlichkeit und Gemeinsamkeit aufnehmen, indem sich unsere Bezirksämter verstärkt um dieses Miteinander der Generationen vor Ort kümmern.

6. Wir wollen die Bildungsangebote für lebenslanges Lernen fördern, beginnend im Kindergarten, in Schulen, Hochschulen, Bibliotheken, in der beruflichen wie in der kulturellen Bildung, um die notwendige geistige Mobilität von Jung und Alt und das Lernen voneinander und miteinander zu ermöglichen.

7. Wir wollen jedem Jugendlichen eine faire Chance für die Entfaltung seiner Begabungen und für eine angemessene berufliche Qualifikation eröffnen und ihn persönlich in seinem Bemühen um eine gute berufliche Perspektive durch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger fördern.

8. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine familienfreundlichere Arbeitswelt erreichen, um vor allem für junge Frauen das Miteinander von Kind und Karriere zu erleichtern.

9. Wir wollen, dass die Lebenserfahrung Älterer an die Kinder und Jugendlichen weitergegeben wird. Insbesondere wollen wir Unternehmen gewinnen, weniger häufig ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzeitig aus dem Arbeitsleben zu verabschieden und vielmehr ihre Kompetenzen für unsere wirtschaftliche Entwicklung besser zu nutzen.

10. Wir wollen durch Nachhaltigkeit unserer Stadtentwicklung dazu beitragen, auch den nachfolgenden Generationen unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und Umweltschäden soweit wie möglich zu beseitigen.

11. Wir wollen den Verteilungskampf der Generationen, das drohende Gegeneinander von Jung und Alt um materielle Ressourcen, öffentliche Subventionen und Dienstleistungen vermeiden, indem wir uns für eine ausgewogene, faire Ausgabenpolitik und einen konsequenten Schuldenabbau einsetzen.

12. Wir wollen durch viele gute Beispiele deutlich machen, dass es ein persönlicher Gewinn und eine Bereicherung für das eigene Leben ist, wenn man sich für ältere beziehungsweise jüngere Menschen engagiert.

Inzwischen haben Hunderte von Institutionen, Organisationen, Vereinen und einzelnen Bürgern diesen Generationenvertrag als „Selbstverpflichtung“ unterzeichnet. Konzeption, Ziel und vor allem viele gute Beispiele finden sich in dem Buch „Der Stuttgarter Generationenvertrag“, das im Dezember 2007 erschienen ist. Darüber hinaus hat der Gemeinderat einen Unterausschuss „Demografischer Wandel“ eingesetzt, um das Miteinander der Generationen und viele konkrete Schritte zur Umsetzung des Stuttgarter Generationenvertrags zu begleiten.

Today there are 7,5 billion people living on Earth. Annually the world population increases with more than 80 million, which corresponds to the population of Germany.

While the population in some regions is rapidly increasing, particularly in Latin-America, India and Afrika, the population of Europe is stagnating. The people in Europe are growing older and have fewer children.

The demographic development in Germany too affects not only economic growth, tax revenues, social expenditures, healthcare provisions but also how we live together in cities.

Thus, the seventh Report on the Elderly of the Federal Government from 2016 deals with the responsibilities of the municipalities. Our aim as members of the expert commission was to define the development tasks of the municipalities and to make recommendations for the strengthening of municipal competencies first and foremost in housing and healthcare. The responsibility of municipalities also encompasses the task of linking the actors active in the field of local elderly policy and to manage and to encourage such actor-networks.

Municipalities as communities of citizens require an active participation of as many people as possible. Older people should be stronger represented in the planning and the implementation of policies affecting the elderly. To this end, the elderly should not only be the subjects of municipal politics, they should actively shape it. Moreover, it is particularly challenging to involve people with very low income, with limited mobility or with language barriers in the strengthening of local social care structures and policies.

This is precisely the main goal of the Stuttgart Generation Contract, to provide a common platform to the cooperation of various organizations, younger and older professionals and volunteers. Moreover, it aims at developing a common understanding of shared responsibility of these various stakeholders in the municipality.

– The Stuttgart Generation Pact –

Collective social protection systems have expanded on individual care for the sick and elderly by family members and in some cases also replaced it. However, precisely because this multigeneration family whose members support and look after one another has become something of a rarity, a new social model is called for – beyond the necessary material security. The financial security of public protection systems cannot be guaranteed in the long run. The demographic shift in Germany and most European countries quite simply means that the number of people in gainful employment is decreasing and the number of those not in employment is constantly increasing. This social gap will widen in the decades to come, so that the increasing social expenditures will no longer be covered by the statutory insurance systems for health, care and pension. More social expenditure will have to be financed by public funds. However, our public authorities have been in deficit for some decades now.

What is life like in a city where only few households are home to children and adolescents, where families with three children are a small minority and a three-generation family something of a rarity? The “generation tree” is not only lopsided; there is reason enough for concern that a conflict between the generations may uproot it completely.

Therefore, we need a paradigm shift in politics just as in our society. Hereby it is important to find new ways for the different generations to get along together and to pursue these consistently. Instead of the separating of all spheres of life, as is so often the case these days, what is now required is an integral concept starting out from the various life situations of the people, whether young or old. In this integral approach it is important that various sectors of our community are involved so that they can all play an active part with their ideas and initiatives. A series of discussions on a long-term strategy on shaping the demographic shift led to the 12 fields of action of the „Stuttgart Generation Pact„.

– The Stuttgart Generation Pact –

1. We want to meet the needs of children and adolescents, of families and single parents more effectively via a child friendly urban society and by consistently implementing the five tasks set forth in the „Stuttgart – City for Children“ action plan.

2. We want to address the individual needs of older citizens, whether of German or foreign origin, and support them in their everyday lives by providing education, counselling and assistance to enable them to live independently for as long as possible in a safe and secure environment.

3. Working with existing and new establishments and non-profit organisations, such as „multi-generation houses“, social and community centres, sports clubs, gardening and environmental associations, cultural societies, schools and church communities, we want to create a variety of contact centres to make it easier to meet new people of all generations and to promote individual mentoring systems.

4. We want to provide organisational and material help in order to promote the creation of new initiatives and self-help networks where older people can contribute their skills, experience and knowledge.

5. By networking in our local districts, we not only want to create new opportunities for personal relationships, but we also want to learn about the needs and expectations of older people, children and families in all their variety, including their sometimes conflicting, sometimes shared goals. To achieve this, our district offices will increasingly promote this local interaction between the generations.

6. We want to promote training offers for lifelong learning, starting in kindergartens and continuing through schools, universities, libraries and professional and cultural training, in order to promote the mental agility of young and old and to encourage them to learn with one another and from one another.

7. We want every adolescent to have a fair chance to develop his or her individual talents and to gain appropriate professional qualifications. We want older citizens to encourage young people in their pursuit of good professional prospects.

8. We want to improve the work-life balance by creating a more family-friendly working environment and to make it easier for young women in particular to combine children and a career.

9. We want older people to pass their experience and knowledge on to children and adolescents. In particular, we want companies to refrain from dismissing older employees prematurely, as is often the case, so that their expertise can be better utilised for our economic development.

10. By means of the sustainable development of our city, we want to contribute to preserving the natural bases of our life for the next generation and, as far as possible, to eliminate any damage to the environment.

11. We want to avoid any clash between the generations and the threat of strife between young and old for material resources, public subsidies and services by supporting a balanced and fair expenditure policy and by consistently reducing debts.

12. With many good examples we want to make it clear that engaging in the service of others, whether young or old, is a personal benefit and enrichment.

In the meantime hundreds of institutions, organisations, associations and private persons have signed this Generation Pact as a „self-commitment“. The concept, objective and above all many positive examples are presented in the book „Der Stuttgarter Generationenvertrag“, published in December 2007. Over and above this, the City Council also set up a subcommittee „Demographic Shift“, to support the generations in getting along together and to take concrete measures for the implementation of the Stuttgart Generation Pact.